Mir fiel die Decke auf den Kopf

Liebe Community,

in diesem Blog möchte ich mich für die zahlreichen Zuschriften bedanken, die uns über das Kontaktformular erreicht haben.

Die Zuschrift eines pflegenden Angehörigen, die mich besonders beeindruckt hat, möchte ich hier dem Sinngehalt nach wiedergeben. Ich denke, sie kann Betroffenen Mut machen, auch als ausweglos erscheinende Situationen positiv zu verändern.

In diesem Sinne herzliche Grüße,

Alexander Schlör

Eine Frau schrieb:

Letztendlich war es diese immer wiederkehrende Monotonie in unserer beengten Wohnung, diese ständige Wiederkehr von Betreuung und Haushalt, die mich ermüdet und schließlich selbst krank gemacht hat.

Die Tage vergingen und mein Leben drehte sich fast nur noch um die eigenen vier Wände und am Abend fragte ich mich oft, was ich eigentlich an diesem Tag erreicht hatte. Ich fühlte mich einsam und frustriert. Am meisten aber fühlte ich Trauer um den "Verlust" des gemeinsamen Lebens, das ich so lange mit meinem Partner geführt hatte.

Dieser leidet an einer beginnenden Demenz. Ordnung zu halten fällt ihm mittlerweile sehr schwer, und ich war ständig damit beschäftigt, ihm hinterher zu räumen. Obwohl ich wusste, dass er nichts dafür konnte, empfand ich Ärger und Frust. Zudem fehlte mir der Rückzugsraum in unserer 2,5- Zimmer Wohnung. Manchmal schloss ich mich in der Toilette ein, um im Internet zu surfen und etwas Abstand zu finden, während mein Partner schon wieder die Kochtöpfe aus den Schubladen holte. Ich fühlte mich verzweifelt. Mir wurde klar, dass es so nicht weitergehen konnte.

Ich beschloss, meine Einstellung zu ändern. Statt dem nachzutrauern, was alles nicht ging, wollte ich mich stärker auf das konzentrieren, was noch möglich war.

Mein Partner ist körperlich immernoch relativ fit und alte Erinnerungen an gemeinsame Unternehmungen und Familienfeiern sind auch noch reichlich vorhanden.

Basierend auf diesen noch vorhandenen Fähigkeiten meines Partners erstellte ich eine Liste mit möglichen Aktivitäten, die ich in Zukunft regelmäßig mit ihm machen wollte. Ich erstellte einen Zeitplan, wann ich mit ihm welche Unternehmung machen wollte und wann der Haushalt zu erledigen war.

Zu den regelmäßigen Aktivitäten gehörten unter anderem ein täglicher Spaziergang nach dem Frühstück, das gemeinsame Durchblättern alter Fotoalben am Abend, aber auch der wöchentliche Besuch eines Seniorenkreises.

Dort lernten wir andere Pflegende und deren Angehörige kennen, mit denen wir uns austauschen konnten. Die Atmosphäre war sehr familiär. Wir bekamen für unsere Situation sehr viel Empathie entgegen gebracht, und wir fühlten uns sofort wohl. Man hörte uns zu und schon das entlastete uns sehr.

Über die gemeinsamen Aktivitäten dort bekam ich neue Ideen, was ich mit meinem Partner zuhause machen konnte. Dazu gehören zum Beispiel einfache Bastelarbeiten, das Hören alter Musik oder das Singen von alten Liedern, die mein Partner nachwievor gut kennt.

Heute empfinde ich unseren Alltag immernoch als fordernd, aber auch als erfüllend. Meine Lebenszufriedenheit ist wieder gestiegen und ich ermüde weniger. Ich fühle mich wieder gesund.

Zurück